U-Bahn Hauptwerkstatt Seestraße

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Wer die Müllerstraße im Wedding in Richtung Reinickendorf mit dem Auto durchfährt oder zu Fuß unterwegs ist, erblickt nach dem Passieren der See- und der Ungarnstraße schon von weitem die gelben Fahnen der BVG. Hinter einer hellgrauen, von roten Klinkern eingefassten Mauer, erstreckt sich ein größeres Areal mit Hallen und Gleisanlagen.

Das Eingangstor neben dem kleinen villenartigen weißen Gebäude wirkt eher unscheinbar. Es führt direkt auf das Gelände der U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße der BVG in der Müllerstraße 49. Die U-Bahnwagen, die zur Instandsetzung und Wartung vorgesehen sind, gelangen über eine unterirdische Gleisanlage auf das Werkstatt-Areal.

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Neben der U-Bahnhauptwerkstatt Seestraße existieren für die Großprofilwagen der Berliner U-Bahn Betriebswerkstätten in Friedrichsfelde und in Britz-Süd.

Das Pfeilertor in der Müllerstraße und das architektonisch interessante zweigeschossige Wohnhaus, das für den Betriebsleiter gedacht war, wurden zwischen 1923 und 1926 vom Architekten C. Borchardt entworfen. Mit dem Bau der U-Bahnwerkstätten hatte man gleich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges begonnen, um endlich ein lange geplantes städtisches U-Bahnprojekt, das der Nord-Süd-Bahn, zu realisieren.

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Die ersten Planungen für die Nord-Süd-Bahn begannen um das Jahr 1902, als die Stadt Berlin das Projekt einer von der Hochbahn (Siemens) unabhängigen und damit eigenen städtischen U-Bahn mit einer hohen Transportkapazität entwickelte. Man wollte eine möglichst gradlinige und unterirdische Tunnelstrecke unter der Friedrich- und der Chausseestraße anlegen und dabei Wagen im „Großprofil“ verwenden.

Die zwischen 1896 und 1913 gebauten Strecken waren für Fahrzeuge mit einer Breite von 2,3 m konzipiert und wurden als Kleinprofil-Linien bezeichnet. Im Gegensatz dazu verfügen Wagen im Großprofil über eine Breite von 2,65 m. Die Spurweite beider Systeme ist gleich und entspricht dem Eisenbahn-Standard, der genau 1435 mm beträgt und als Normalspur bezeichnet wird. Auch die Stromabnahme war technisch unterschiedlich gelöst.

Baubeginn der neuen Großprofil-Linie C (heute U6) war der Dezember 1912. Bis 1914 war der U-Bahnhof Leopoldplatz im Rohbau fertig.

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Allerdings verlangsamte der Beginn des Ersten Weltkrieges den U-Bahnbau. 1917 erfolgte die Einstellung der Bauarbeiten. Bei der Wiederaufnahme der Bauarbeiten im Jahre 1921 waren bereits die Bahnhöfe Seestraße, Leopoldplatz , Wedding, Schwartzkopffstraße, Stettiner Bahnhof (Nordbahnhof) und Oranienburger Tor im Rohbau fertig. Schließlich wurde 1922 die Nordsüdbahn A. G. gegründet.

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Da zu Beginn nicht genügend Kapital und Fahrzeuge vorhanden waren, übernahm man zunächst 48 Wagen der Kleinprofil-Linie, die von der 1913 in Betrieb genommenen Werkstatt Grunewald zur Seestraße überführt und dort umgerüstet wurden. Holzbalken an den Seiten sorgten dafür, dass sich die Fahrgäste beim Ein- und Aussteigen nicht verletzen konnten.

Betriebsbahnhof der Nord-Süd-Bahn 1925 / Quelle: BVG-Archiv
U-Bahnwerkstatt der Nord-Süd-Bahn 1925 / Quelle: BVG-Archiv

Als am 30.1.1923 die 3,7 Kilometer lange Strecke zwischen Halleschem Tor und dem Stettiner Bahnhof (heute S-Bahnhof Nordbahnhof) eröffnet und ab 8. 3. 1923 bis zum U-Bahnhof Seestraße verlängert wurde, war der Bau der U-Bahnwerkstätten Seestraße noch längst nicht abgeschlossen, obwohl sie noch im gleichen Jahr ihren Betrieb aufnahmen, um den reibungslosen U-Bahnverkehr der Nord-Süd-Bahn zu ermöglichen. Die letzten Bauarbeiten wurden 1927 beendet.

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Vom U-Bahnhof Seestraße führt eine zweigleisige Strecke unter der Müllerstraße in einer scharfen Rechtskurve auf das Werkstattgelände der BVG. Die Betriebswerkstatt ist mit 19 Gleisen in einer Länge von je 82 Metern ausgestattet. Eine motorbetriebene Drehscheibe ermöglicht das Drehen der Fahrzeuge.

U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
U-Bahn Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße

Im Jahr 1929 wurde die Strecke der Nord-Süd-Bahn bis zum S-Bahnhof Tempelhof der Ringbahn verlängert.
Im März, Mai und besonders am 22. September 1944 wurde die 16 Gleise überdachende Halle der Betriebswerkstatt durch Bomben mehrfach getroffen. Dabei kam es zum Totalverlust von 15 Trieb- und 25 Beiwagen. Deshalb mussten in den folgenden Jahren die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten unter freiem Himmel stattfinden.

Erst 1950/51 wurde die Betriebswerkstatt wieder vollständig aufgebaut und später mehrfach modernisiert.
Im Oktober 1953 begann in der Müllerstraße nördlich des U-Bahnhofs Seestraße der Bau der 6,9 km langen Strecke über den Kurt-Schumacher-Platz nach Alt-Tegel, die in zwei Etappen gebaut wurde. Ab dem 31. Mai 1958 verkehrte die U-Bahnlinie C bis Alt-Tegel.

Quellen:
75-Jahre U-Bahn Werkstätten Seestraße (1998)
BVB 9/12, Michael Schulz, Haupt- und Betriebswerkstatt Seestraße
BVG-Archiv
Wikipedia