Plätze im Wedding: Folge 4 – Hanne-Sobek-Platz

Hanne-Sobek-Platz

Ob wuseliger Versammlungsort oder großzügiger Freiraum, ob repräsentative »gute Stube« oder betriebsamer Markt – Plätze sind gleichermaßen öffentliche Treffpunkte und Visitenkarten ihrer Umgebung. Auch unser Wedding hat ganz vielfältige Plätze zu bieten. An manchen steppt sprichwörtlich der Bär, an anderen sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht.
Im Rahmen dieser kleinen Serie werden wir einen Platz nach dem anderen vorstellen. Wetten, dass auch Sie noch nicht alle davon kennen?

Zugegeben: Berlin ist sexy, aber arm. Auch in Sachen Fußball spielen wir nicht ganz oben mit. Immerhin die Ost-Berliner erinnern sich vermutlich noch an die Meisterschaftsserie ihres Berliner FC Dynamo, die 1989 endete. Aber die West-Berliner? Wer bitteschön war denn dabei, als Hertha 1930 und 1931 deutscher Fußballmeister wurde?

Hanne-Sobek-Platz

Hanne Sobek war dabei!
Er kam 1900 als Paul Friedrich Max Johannes Wiechmann im mecklenburgischen Mirow zur Welt, nahm später den Namen des Adoptivvaters an und begann mit zehn Jahren das Fußballspiel. Von 1925 bis 1939 stand der Halbstürmer als Johannes Sobek im Kader des Berliner Fußballclubs Hertha BSC, wurde von Freunden, Fans und Mitspielern aber nur Hanne genannt. Für die deutsche Nationalmannschaft lief er zehnmal auf und schoss zwei Tore.

Im Gegensatz zu heute wurde der deutsche Fußballmeister im K.-o.-System ermittelt. 1926 standen die Herthaner mit Hanne Sobek erstmals im Meisterschaftsendspiel, das sie aber (wie auch in den darauf folgenden drei Jahren) verloren. Der ganz große Erfolg gelang erst 1930 und erneut 1931. Die Hertha hatte sechs Jahre in Folge im Endspiel gestanden und war zweimal deutscher Meister geworden. Seither blieb dem Fußballclub ein auch nur annähernd vergleichbarer Erfolg verwehrt.

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Aber zurück zu Hanne: Nach seiner Karriere als Kicker war er tätig als Sportreporter fürs Radio sowie als Fußballcoach. In den Nachkriegsjahren trainierte er den SC Union Oberschöneweide, der sich 1950 sogar für die deutsche Meisterschaft qualifizierte, aber als Ost-Berliner Verein nicht in den Westen ausreisen durfte. Daraufhin flüchteten Sobek und das Gros der ersten Mannschaft nach West-Berlin und gründeten sich als SC Union 06 Berlin neu. 1959 bis 1963 trainierte Sobek seine Hertha und führte sie 1961 und 1963 immerhin zur Berliner Meisterschaft.

Und was hat das alles mit dem Wedding zu tun?

Hanne-Sobek-Platz

Unser Ortsteil Gesundbrunnen wird so genannt wegen der Heilquelle, in deren Nähe sich das Luisenbad etablierte. Mit der Industrialisierung und der Errichtung neuer Wohngebiete entstand ein Wasserversorgungsnetz mit Handpumpen, von denen auch heute noch einige am Straßenrand zu finden sind. Die Wasserspender im Umkreis um die Heilquelle wurden von ihr gespeist, und der im Volksmund seinerzeit übliche Name »Plumpe« ging von der eigentlichen Pumpe auf den ganzen Ortsteil Gesundbrunnen über.

Als 1924 die Sportstätte Behmstraße, Ecke Bellermannstraße fertiggestellt wurde, hieß sie offiziell »Stadion am Gesundbrunnen« – und inoffiziell »Stadion an der Plumpe«. Bis in die 1970er Jahre war die »Plumpe« die Heimspielstätte der Hertha, und so schließt sich allmählich der Kreis.

Längst ist das Stadion abgerissen, Hertha BSC wird nicht mehr Meister, und auch Hanne Sobek weilt nicht mehr unter uns. Aber Berlin und Deutschland sind wieder vereint und infolgedessen wurde der S-Bahnhof Gesundbrunnen zum Regional- und Fernbahnhof ausgebaut.

Hanne-Sobek-Platz

Dessen Vorplatz ist eine wenig ansprechende, pflastergraue und asphaltschwarze Freifläche mit Parkplätzen und Bushaltestellen vor dem weit ausladenden Dach des Bahnhofs. Außer den eilenden oder wartenden Passagieren ist das einzig Lebendige hier der Taubenschwarm, der sich majestätisch durch die Lüfte schwingt ‒ zumindest, bis sich wieder ein aufmerksamer Mensch erbarmt und den Vögeln eine neue Line aus Brotkrumen zieht. Dieser Bahnhofsvorplatz also trägt seit 2006 Hanne Sobeks Namen, und man staunt und fragt sich, was der Arme bloß verbrochen haben mag, dass nun ausgerechnet dieser olle Platz nach ihm benannt wurde.

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